The Gray Man - Filmkritik: Überzeugen Ryan Gosling und Chris Evans in Netflix' Antwort auf "Mission Impossible"? (2024)

Netflix sucht zwar händeringend nach neuen Abonnenten, "The Gray Man" lässt sich jedoch nichts von etwaigen finanziellen Schwierigkeiten anmerken. 200 Millionen US-Dollar soll der Actionthriller von Anthony und Joe Russo ("Avengers: Endgame") gekostet haben, zusammen mit "Red Notice" die teuerste Filmproduktion des Streamingdienstes.

Diese hohen Kosten sind mit großen Ambitionen verbunden: "The Gray Man" soll als Auftakt für ein neues Blockbuster-Franchise dienen, eine amerikanische Antwort auf James Bond. Als Vorlage dienen hier die "The Gray Man"-Romane von Autor Mark Greaney, der nach dem Tod von Tom Clancy zudem die "Jack Ryan"-Reihe übernahm.

Doch geht der Plan von Netflix auf? Ist "The Gray Man" Pflichtprogramm für Actionfans oder Netflix-Einheitsbrei mit vielen prominenten Gesichtern? Die Antwort liegt irgendwo dazwischen. Positiv lässt sich auf jeden Fall anmerken, dass die Russo-Brüder verstehen, dass die Action hier im Mittelpunkt steht und Spaß machen soll. Das tut sie auch über weite Strecken, ist dabei äußerst kurzweilig, erfindet dabei aber natürlich das Rad nicht neu.

Die Handlung hingegen ist kaum der Rede wert: Ryan Gosling spielt Sierra Six, das sechste Mitglied des geheimen Sierra-Programms der C.I.A., das vielversprechende junge Häftlinge aus dem Gefängnis holt und sie zu Agenten ausbildet, die offiziell gar nicht existieren.

Als Six bei einem Auftrag auf einen seiner Vorgänger angesetzt wird und dieser ihm Informationen überreicht, die Six' neuen CIA-Operationsleiter Denny Carmichael (Regé-Jean Page) schwer belasten, beginnt die Jagd auf Six. Dafür engagiert Carmichael Lloyd Hansen (Chris Evans), der es durch seine rabiaten Methoden nicht weit bei der C.I.A. brachte, als Privatunternehmer nun aber jedes Mittel nutzt, um seine Aufträge zu erfüllen.

Die meisten Bond-Filme und auch Reihen wie "Mission Impossible" haben nicht die spannendste Handlung, doch im besten Fall bleibt ein Hauch Unvorhersehbarkeit übrig, der die Spannung am Brodeln hält. Das fehlt "The Gray Man". Am Anfang reicht die Action völlig aus, auch Gosling und Evans machen ihre Sache gut und liefern unterhaltsame Dialoge, die man so oder so ähnlich schon oft in Filmen dieser Art gehört hat.

Doch in der zweiten Stunde geht dem Film, zumindest zwischen den Actionszenen, ein wenig die Puste aus. Die Geschichte ist einfach zu vorhersehbar, alles steuert auf den zu erwartenden Showdown zu. Zudem kann auch während der Action kaum von echter Spannung die Rede sein. Klar, wir wissen, dass Six wohl kaum nach 45 Minuten das Zeitliche segnen wird, doch gleiches gilt für Tom Cruises Ethan Hunt, der es dennoch schafft, bei seinen waghalsigen (und oft echten) Stunts das Adrenalin beim Publikum in die Höhe zu treiben.

So ist "The Gray Man" ein gelungener Film geworden, der mit einer Laufzeit von knapp 110 Minuten (plus 15 Minuten Abspann) nicht unnötig in die Länge gezogen wurde. Seine Fehler kann man ihm leicht verzeihen, auch, weil die Ansprüche an einen Streamingfilm meist etwas niedriger liegen. Doch ob Netflix' Ziele mit dieser Form von zweckdienlicher Unterhaltung erfüllt werden können, bleibt fraglich.

Keine Frage, "The Gray Man" wird direkt nach Start an die Spitze der Top 10 des Streamingdienstes springen und kurze Zeit später wird Netflix stolz verkünden, dass der Film diverse neue Rekorde gebrochen hat und zu den erfolgreichsten Eigenproduktionen gehört. Doch wird noch jemand im Herbst 2022 über "The Gray Man" sprechen? Und werden Filmfans ohne Netflix-Abo durch die Gosling/Evans-Kombo zum Umdenken gebracht?